Recherche am Montag den 10. November 1920
Was für eine Nacht. Mir war schon klar das ich nach diesen Ereignissen nicht besonders gut schlafen würde, aber diese Kopfschmerzen … Als ich unten in den Salon kam waren die anderen auch schon da. Keiner redete viel. Nach dem Frühstück beschlossen wir den Geschehnissen auf den Grund zu gehen, denn Frau Mayer unsere Gastgeberin machte sich verständlicherweise erhebliche Sorgen.
Also klapperten wir auf dem Weg zum Martini-Jahrmarkt die örtliche Polizeidienststelle ab und wollten berichten was vorgefallen war. Vielleicht hatte man dort schon etwas näheres in Erfahrung bringen können was uns weiterhelfen könnte. Angekommen an der Station empfing uns ein Peter Kopenhagen der uns nach kurzer Erklärung dem Hauptwachtmeister Frank Eben vorstellte. Wir schilderten ihm die Ereignisse der letzten Nacht im Haus der Mayers und erfuhren von ihm, dass es in der Nacht noch weitere ähnliche Vorfälle gegeben hat. So ist beispielsweise das Ehepaar Karmann am frühen Morgen von der Haushälterin tot aufgefunden wurden und deren Kinder sollen bei den Großeltern untergekommen sein. Ein anderes Ehepaar, ihr Name ist Vorhaus, ist mit dem Schrecken davon gekommen und wurde zum Glück nur verletzt – was schon schlimm genug ist. Mehr war erst einmal nicht von den Polizeibeamten herauszuholen. Der Hauptwachtmeister schien auch kurz angebunden. Für mich verständlich, denn seine Kollegen führten gerade einen Mann herein, der sich mit Händen und Füßen wehrte und immer wieder schrie, dass er es nicht gewesen sei und man den Falschen hätte. Ob er was mit der Sache zu tun hat … wir wissen es nicht.
Draußen vor der Wache stand die Presse. Die wollten selbstverständlich ihre Story haben und wir versuchten von ihnen einige Informationen herauszuholen. Wir unterhielten uns mit Ernst Feldhof vom Parchimer Tagblatt konnten aber nur wenig herausfinden. Offensichtlich wollten derzeit alle nur Informationen ergattern. Mal schauen was morgen in der Zeitung steht.
Weiter ging es zum Jahrmarkt. Dort trafen wir zuerst auf Sarah die blinde Leiherkastenfrau welche gerade ein paar Dinge zusammenräumte. Ich sprach sie auf das Klingeln an was ich während den gestrigen Erscheinungen jedesmal vernommen hatte und prompt zog sie eine kleine Glocke heraus und tatsächlich, genau so ein Läuten/Klingeln haben wir gehört. Nur das unser Klingeln aus einer viel weiter entfernten Richtung kam und entsprechend dumpf und leise klang. Mehr war im Moment nicht aus ihr herauszuholen, denn sie und ihr Vater waren beschäftigt. Eines gab sie uns allerdings noch mit auf den Weg. Und zwar hat sie gestern einen Schemen wahrgenommen. Das verdutzte uns vor allem deshalb, weil sie ja eigentlich blind war.
Wir gingen erst einmal weiter und bemerkten auf dem Weg zum Clown Horobin und seinem Marionettentheater, das Larifari vom Panoptikum mit seiner Frau stritt. Worum es ging bekamen wir nicht mit – wir wollten nicht lauschen. Horobin selber war in seinem Wagen. Jetzt tagsüber fiel auf, dass der Wagen ziemlich alt zu sein schien, fast schon heruntergekommen. Farbe blätterte ab und die Schrift schien schon mehrmals überschrieben worden zu sein. Drumherum waren Kleinwüchsige oder solch Zwergenmenschen am werkeln und hantierten irgendetwas herum. Zwei Hunde lauerten hinter dem Wagen – ich mag keine Hunde. Wir klopften an und Horobin öffnete, trat heraus und schloss schnell hinter sich wieder zu. Wir sahen in ein entstelltes von Narben gezeichnetes Gesicht. Die Mundwinkel schienen bis zu den Ohren zu gehen und eine Nase war nicht wirklich erkennbar. Als wir sagten, dass wir gerade von Sarah kamen huschte ein kleines Lächeln über sein Gesicht. Angesprochen auf die Narben sagte er uns, dass er die sich schon in der Kindheit zugezogen hatte. Von Schemen oder Masken wollte er nichts wissen, oder uns nichts sagen. Er tat die Geschehnisse mit dem Satz ab, dass sich die Kinder wohl gegen die Eltern auflehnen würden. So wie er es sagte, klang es so, als ob er das für richtig hält. Alles in allem war er sehr harsch in seinem Ton.
Wir schlenderten weiter zum Spiegelkabinett. Der Besitzer wollte mir zeigen das in seinem Geschäft alles mit rechten Dingen zugeht, war aufgeschlossen und zeigte mir alles. Ich wollte trotzdem nicht dran glauben, denn ich weiß das ich dort – auch nur für kurze Zeit – eingeschlossen war. Ich weiß was ich gesehen habe …
Zurück bei der Schießbude unterhielten wir uns kurz mit dem Vater von Sarah. Er meinte, dass die Masken von Larifari stammen könnten aber bestätigen konnte er das nicht. Den alten Wagen von Horobin hat er schon einmal auf einem Wanderzirkus gesehen, aber auch das war nur eine vage Vermutung. Er konnte uns noch sagen, dass er heute morgen den Clown Horobin mit einem alten Mann sich hat unterhalten sehen. Die beiden hatten sich gestritten, aber um was es genau ging konnte er uns nicht sagen. Auffällig war nur, dass der Mann einen sauberen Anzug und eine Aktentasche trug.
Der Clown … mir wird dieser Clown immer suspekter. Oder anders gesagt, bis jetzt ist er die einzige heiße Spur.
Als wir nochmal bei ihm vorbeischauten war niemand mehr da. Also werden wir später wiederkommen. Narbengesicht, Masken, Kinder die sich gegen Eltern auflehnen – er muss uns noch ein paar Fragen beantworten. Auf jeden Fall müssen wir auch noch zum Panoptikum und Herrn Larifari befragen. Das Ehepaar Vorhaus kann uns möglicherweise ebenfalls weiterhelfen, zumindest ist ihnen ähnliches passiert wie unseren Gastgebern, den Mayers.
Jetzt ist es 14 Uhr und wir suchen uns erst einmal ein Wirtshaus. Bringt ja nichts wenn wir vor Hunger sterben …